Kathrin Anselm hat sie, die Erfahrung im Start-up Business. Seit 20 Jahren arbeitet sie im Bereich Internet und Medien, bei großen Namen wie Limango, Rocket Internet und Pro7Sat1. Fünf Jahre hat Kathrin auch als Beraterin gearbeitet, u.a. bei Oliver Wyman und auch mit ihrer eigenen Firma. Aktuell leitet sie als Interim-Geschäftsführerin das deutsche Geschäft von Deliveroo. Nicht zu vergessen: Sie ist Mentorin für weibliche Führungskräfte, Start-ups und Social Business sowie Gastdozentin an der Technischen Universität München. Sie weiß also, wovon sie spricht, wenn sie uns im Styles4Work Interview verrät, was Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit sind und wie sie die Rolle der Business-Frau in Deutschland sieht. Außerdem erfahren wir ihr liebstes Business-Outfit und was sie eigentlich als Kind so alles vorhatte.
Key Facts
Name: Kathrin Anselm
Alter: 44
Familienstatus: Verheiratet
Beruf und Position: Consultant & Interimmanager, aktuell GF von Deliveroo GmbH
Wo lebst Du? In Berlin
Wie würdest Du deinen Lifestyle umschreiben? Ich würde sagen, ein großes, wuseliges Durcheinander – einigermaßen gut gemanagt. Mein Beruf, der ja permanent Neues mit sich bringt, spielt natürlich eine sehr große Rolle, und ich muss aufpassen, ihm nicht alles unterzuordnen. Regelmäßige Bewegung, gesundes Essen und vor allem gemeinsame Zeit mit meiner Familie und meinem Partner ist mir immens wichtig.
Was sind Deine Hobbies?
Ein Hobby im engeren Sinne habe ich nicht. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit Lesen oder Oper/Ballett/Konzert/Ausstellung, hin und wieder auch mal mit Kochen.
Folgst Du einem Motto?
„Das kann man schon so machen, dann ist es aber halt nix“. Ich bin eine ziemliche Perfektionistin und habe zu sehr vielen Dingen eine sehr konkrete Vorstellung, wie das Endergebnis aussehen soll. Kein Motto, das ich uneingeschränkt weiterempfehlen würde.
Was wolltest Du als Kind werden?
Biologie war mein Lieblingsfach in der Schule, ich hatte ein Natur-Tiere-Wissenschafts-Magazin abonniert und dachte eine Weile, ich werde Meeresbiologin. Maritime Ökosysteme erkunden, auf einem Forschungsboot leben, Medikamente aus Algen gewinne – das fand ich spannend.
Wie würdest Du Festanstellung und Selbstständigkeit vergleichen? Was sind Vor- und Nachteile?
Neben Aspekten wie Planbarkeit und sozialer Absicherung, gefällt mir an der Festanstellung vor allem das Gefühl der „Zugehörigkeit“, d.h. fester Teil eines Teams zu sein, Mitarbeiter zu führen und zu entwickeln und für ein Unternehmen und gemeinsame Werte zu stehen.
Die Freiberuflichkeit dagegen ist wie eine aufregende Reise: in welches Geschäftsmodell werde ich mich morgen fix einarbeiten, welche Herausforderung ist zu meistern, welche Menschen treffe ich? Zudem mag ich die zeitliche Flexibilität. So konnte ich mir viele Wochen Zeit für meine erkrankte Mama nehmen, Spontanbetreuung meiner Nichten am Bodensee einschieben und Träume verwirklichen, wie einen Monat nach Bordeaux zu ziehen und mein Französisch wieder auf Niveau zu bringen.
Was sind die größten Herausforderungen in Deiner jetzigen Position?
Bei Deliveroo haben mein Vorgänger und ich uns aus Zeitgründen die Klinke ohne Übergabe in die Hand gegeben. Ich musste mich quasi über Nacht in ein wahnsinnig spannendes, aber recht komplexes Food Delivery-Geschäftsmodell einarbeiten. 100 Mitarbeiter, ein hoher Millionenumsatz und die Dynamik des am schnellsten wachsenden Tech-Unternehmen Europas: all das erforderte ein hohes Maß an Struktur, Fokus, Schnelligkeit und zeitliche Flexibilität.
Gleichzeitig galt es, das Vertrauen dieses tollen Teams zu gewinnen. Mein Vorgänger war für viele meiner Mitarbeiter der erste Chef. Das prägt und bindet emotional, und Veränderung ist nie leicht, auch für jüngere Leute in einem Startup. Zu guter Letzt fiel mein Start genau in den Strategie- und Budgetprozess für 2019. Den letzten Input für die P&L Planung habe ich Heiligabend eine Stunde vor der Weihnachtsmesse mit unserem Global COO abgestimmt und dann erst mal ganz tief durchgeschnauft. Schaue ich die ersten 10 Wochen zurück und horche in mein Team, scheine ich all diese Herausforderungen ganz gut bewältigt zu haben. Das macht mich sehr happy und motiviert unendlich.
Hattest Du selbst Mentoren auf Deinem beruflichen Werdegang?
Eine längerer Mentoren-Mentee-Beziehung hatte ich bisher noch nicht, aber immer wieder Männer wie Frauen, die mich gut beraten und bestärkt haben. Und ich stimme Sheryl Sandberg zu: „The most important career decision you’ll make is who your life partner is.” Dass die Männer an meiner Seite sich auch immer neben ihrer eigenen mit Hingabe meiner Karriere gewidmet haben, hilft enorm.[/fusion_text][fusion_text columns=”” column_min_width=”” column_spacing=”” rule_style=”default” rule_size=”” rule_color=”” hide_on_mobile=”small-visibility,medium-visibility,large-visibility” class=”” id=””]
Wenn du Deinem jungen Selbst einen Rat geben würdest, wie würde er lauten?
Ich habe eine Tendenz zum Perfektionismus und denke zu viel darüber nach, ob es nicht noch besser geht. Story of my Life sozusagen. Einfach mal auf 80% hinarbeiten und erfreut feststellen, dass das auch meist reicht. Das wäre der perfekte Rat für mein jüngeres Ich.
Glaubst Du, dass Frauen im Beruf generell härter kämpfen müssen?
Pauschal bejahen würde ich dies nicht. Positiv ist zu vermerken, dass ich in meiner Branche zumindest ein wachsendes Selbstverständnis sehe, Rollen über alle Funktionen und Hierarchien unabhängig vom Geschlecht zu besetzen und Leistungen ähnlich zu bewerten. Das ist ein Fortschritt.
Gleichzeitig erlebe ich es immer wieder, dass Zurückhaltung bis hin zu genervter Ablehnung geübt wird, wenn es um die Einstellung oder Beförderung von Frauen Anfang 30 oder den Wiedereinstieg von Müttern geht. Hier müssen Frauen definitiv härter kämpfen.
Profitierst Du beruflich von Deinem Netzwerk?
Sehr. Tatsächlich ist bisher jede Festanstellung und nahezu jeder Interim- oder Consultingtätigkeit aus meinem Netzwerk gekommen.
Mein Netzwerk ist allerdings nicht sehr groß, denn ich versuche z.B. Kontaktanfragen nach dem Prinzip „Mindestens 1x gesprochen, besser noch getroffen“ zu handhaben. Mir ist der persönliche Draht gepaart mit einer Grund-Sympathie wichtig.
Styles4Work ist ein Nischen Online Shop. Wie beurteilst Du die Bedeutung von solchen spezialisierten Plattformen für die Trendbildung in den kommenden Jahren?
Definitiv steigend! Bleiben wir mal beim Beispiel Business-Mode und dem Geschäftsmodell von Styles4Work: Viele Hersteller von Businessmode für Frauen in Deutschland haben es verpasst, ihre Linien zu verjüngen, sich auf verändertes Kauf- und Ausgabeverhalten einzustellen und digitale Marken bzw. Vertriebskanäle aufzubauen. Mode als Erlebnis zu inszenieren gelingt eCommerce-Giganten auch noch nicht sehr gut, wie das Einkaufserlebnis auf Amazon zeigt.
Gleichzeitig weichen die Job-Dresscodes auf. Mit der neuen Freiheit kommt aber auch der vermehrte Bedarf nach Beratung und Kuratierung. Modelle wie Stitchfix in USA oder Outfittery in Deutschland zeigen das. Und für viele Frauen gilt in puncto Businessmode: ich will top angezogen sein, modische Freiheiten navigieren und gleichzeitig meine Garderobe so einfach wie möglich einkaufen. Aus meiner Sicht eine sehr gute Voraussetzung für Modelle wie Styles4Work.
Benutzt Du selbst soziale Medien?
Beruflich nutze ich vor allem LinkedIn und bei Deliveroo natürlich auch Facebook Workplace. Privat Facebook und Instagram.
Mode ist ein emotionales, sehr persönliches Thema. Gibt es für Dich einen Business Look, der immer passt?
Ich arbeite seit etwa 10 Jahren im Start up-Umfeld. Im Vergleich zu meiner Zeit in der Beratung oder bei ProSiebenSat.1 ist mein Business Look nun etwas informeller, spielerischer und farbenfreudiger geworden. Ich liebe z.B. A-Kleider im 60s Look in leuchtenden Farben wie Chartreuse, Orange oder Senfgelb und kombiniere dazu eine rockige Lederjacke, Ballerinas oder Booties. Und als „geht immer“-Outfit: schwarze Skinny-Lederhose, weiße Bluse, ein gutgeschnittener schwarzer Blazer oder eine Bouclé-Jacke und schwarze High Heels – fertig.
Gibt es für Dich Power Farben im Job?
Persönlich mag ich Schwarz und Weiß, sowohl monochrom als auch in Kombination – klar, schnörkellos und cool. Und in den letzten Jahren habe ich Gelb, Orange und Grün als Wohlfühlfarben und Hingucker im Business-Umfeld entdeckt.
Baust Du Modetrends in Deinen Work Style ein?
Ich bin ein Anhänger der Capsule Wardrobe als Grundlage meiner Garderobe, sowohl privat als auch im Job. Damit diese immer wieder neu und spannend aussehen, picke mir jede Saison ein paar Trends heraus, mit denen ich die Basics kombiniere. Anstelle eines klassischen Pencil Skirts dann eben mal einen Paperbag-Rock, z.B. von Amorph Berlin, der sich sowohl casusal als auch mit Blazer und Loafers gut stylen lässt. Oder eine Variante der klassischen weißen Bluse mit weiten Glockenärmeln, z.B. von Milly, zur Cigarette Pant.
Was rätst Du Frauen, die Ihren Style noch suchen?
Macht Euch Notizen, wenn Ihr was Schönes seht – Pinterest, Schnappschüsse von Schaufenster-Deko oder von Outfits am „lebenden Objekt“. Nehmt Euch Zeit zum Gucken, anprobieren und ausprobieren. Sprecht andere Frauen, wo sie ein Teil, das Euch gut gefällt, gekauft haben. Und zu guter Letzt: seid wählerisch und lasst Euch keine Trends aufzwingen. Die wunderbar stylische Lauren Hutton hat einmal gesagt: “Fashion is what you’re offered four times a year by designers. And style is what you choose.”
Welches gesellschaftliche Thema liegt Dir am Herzen?
Umweltschutz und verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen. Ich bin überzeugt, dass jeder von uns im Kleinen sehr viel bewegen kann, auch wenn das Umstellen von selbstverständlichen Konsumgewohnheiten lästig ist.
Ich mache momentan noch sehr kleine Schritte, aber mir ist 2018 Folgendes erstaunlich leicht gefallen: für 20 Langstrecken-Reisen in Deutschland habe ich bewusst den Zug anstelle vom Flugzeug gewählt. Meine Garderobe besteht mittlerweile zu einem sehr nennenswerten Teil aus Second-Hand-Kleidung. Und mein Fleischkonsum hat sich drastisch reduziert. Ich esse teilweise 4 Wochen am Stück kein Fleisch mehr, und mir fällt es nicht sonderlich auf.